WAS
Das Kunsthaus Hechingen geht auf die Initiative einer Projektgruppe des Kunstvereins Hechingen zurück, die sich zum Ziel gesetzt hat, im urbanen Umfeld einer historischer Architektur anspruchsvolle Positionen zeitgenössischer bildender Kunst zu präsentieren. Ideenreich trifft so Tradition auf Innovation – im Spannungsfeld metropoler Ausstellungen und Biennalen wird das aktive Erleben von Gegenwartskunst auf bestem Niveau auch in der Region ermöglicht.
WER
Die Initiative geht auf die vier Künstlerinnen und Mitglieder des Kunstvereins Hechingen Ursula Buchegger, Allhaidis Hartmann, Hiltraut Repphun und Sabine Wilhelm-Stötzer zurück. An dem Projekt sind ausserdem Joschka Banzhaf (Stuttgart), Margit Busch (Tübingen), Judith Kaiser (Stuttgart), Manuel Krumrain (Stuttgart), Stefan Kübler (Balingen/Dresden), Renate Scherg (Tübingen), Friederike Stanger (Stuttgart), Klaus Stopper (Hechingen) u.a. beteiligt. Die Ausstellung wird von dem Kunsthistoriker Clemens Ottnad ko-kuratiert.
WO
Das Kunsthaus Hechingen (Marktplatz 3) wird von der Stadt Hechingen zur Verfügung gestellt und befindet sich direkt neben dem Rathaus. Das Architekturensemble besteht eigentlich aus drei im Laufe der Zeit zusammengewachsenen Häusern sowie verschiedenen Anbauten ungeklärter Datierung und Funktion; in jüngerer Vergangenheit war an dieser Stelle die Untere Apotheke angesiedelt. Auf einer weitläufigen Etage im 1. Obergeschoss – mit einer Folge von 13 stark abgenutzten Kabinetten, Fluren und Nischen wird ein kreativer Parcours mit völlig verschiedenen Ausdrucksmedien zeitgenössischer Kunst eingerichtet.
WANN
Das Kunsthaus Hechingen ist von 12. Juli bis 22. Juli 2012 geöffnet. Die Vernissage findet am Donnerstag, 12.07.2012, um 19.00 Uhr, statt.
Handlungsräume Clemens Ottnad
Anders als ein eigens zu Ausstellungszwecken errichtetes Gebäude trägt das temporäre Kunsthaus Hechingen bereits vielfältige heterogene Bezeichnungsspuren, noch bevor sich die eigentlichen Artefakte darin befänden. Die verwinkelte Raumflucht im ersten Obergeschoss des Architekturensembles am Marktplatz 3, in dem früher auch die Untere Apotheke angesiedelt war und das aus drei im Laufe der Zeit zusammengewachsenen Häusern sowie verschiedenen Anbauten besteht, ist geprägt von über die Epochen wechselnden Funktionen und Nutzen. Jeder Raum trägt seinen eigenen Charakter, Türen und Flure geben – einem skurrilen Parcours von Überraschungen gleich – den Blick frei auf unterschiedlichste Wandgestaltungen, Bodenbeläge und Decken, Armaturen und Installationen, von rustikaler Gemütlichkeit bis hin zu klinischer Sterilität, zwischen Repräsentanz und Trash schwankend, und sie zeichnen so auch biografe Fährten ihrer ehemaligen Bewohner und all derer auf, die hier einmal ein und aus gingen.
Wenn nun 12 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler vorübergehend diese Räume mit ihren Arbeiten und den damit verbundenen Interventionen bespielen, so reagieren sie dialogisch auf vorgefundene Situationen, Materialien, sie antizipieren erinnerte oder geahnte Geschichte(n) oder aber stellen bewusste Kontraste zu dem sichtbar Vorhandenen her. Ihre Handlungsräume reichen von den klassisch überlieferten Bildmedien wie der Malerei, Skulptur und Zeichnung, umfassen jedoch darüber hinaus auch Collagen, überarbeitete Fotos, Lichtobjekte, Maschinenkunst, Rauminstallationen sowie Materialarbeiten vielfältiger Machart. Bleistift und Graphit, Stahl und Lacke kommen dabei ebenso zum Einsatz wie naturgewachsenes Geäst, abertausende von Plastikhalmen, in Wasser sich sukzessive auflösende Brause oder Helium.
Schon an der Aussenfassade wird auf die zwischenzeitliche Umwertung des Gebäudes aufmerksam gemacht. Die monumentale Wandzeichnung aus rotem Klebeband von Renate Scherg nimmt gewissermaßen den unmittelbar beim Betreten des Kunsthauses einsetzenden Eindruck der verschachtelten Innenraumfolge vorweg, faltet allerdings die an sich ja räumliche Architektur als zweidimensionales Planspiel auf der Aussenwand auf. Als handle es sich um den sprichtwörtlichen roten Faden,
Durch den schwierigen Fassadenuntergrund und ungünstige Wettereinflüsse blieb diese Fassadenzeichnung leider nur kurze Zeit erhalten und musste noch vor Ausstellungsbeginn wieder abgebaut werden. Statt dessen befindet sich nun im Eingangsbereich und Treppenhaus eine entsprechende "Fortsetzung"…
. Als handle es sich um den sprichtwörtlichen roten Faden, der sich durch das Projekt zöge, führt ein Handlauf ebendieser Farbigkeit die Treppe hinauf in die labyrintischen Schauräume der eigentlichen Ausstellung. Vom
Vom langgezogenen Flur aus, der angesichts der Zeichnungsinstallation von Hiltraut Repphun auf die mannigfache Verwandlung archetypischer Grundformen der Pflanzennatur im Schwarz-Weiss verweist und sich somit gegen die klaustrophobische Reihung technisch medizinaler Warte-, Sprech- und Behandlungszimmer auflehnt, sind verschiedene Augenrouten vorstellbar.
Stefan Kübler , Raumsituationen Kunsthaus 2012
Folgt man der Flurflucht voraus, wird der Betrachter unversehens mit den experimentellen Hinterglasmalereien von Stefan Kübler konfrontiert, die vor Ort entstanden sind und vermeintlich nebensächliche Gegenstände wie alltägliche Details fokussieren. In seinen Malakten des sich immer weiter entziehenden Zugriffs auf die sichtbare Wirklichkeit spiegelt sich das Spektrum menschlicher Existenzen – von Schmerzen, Ängsten und Hoffnung auf Heilung der hier einst behandelten Patienten – wider.
Prunkvoll und prezios und ebenfalls in Rot dagegen prangt in der anderen Richtung der Kronleuchter von Ursula Buchegger; seiner Funktion völlig enthoben, übergross, aus einer Vielzahl segmentierter Plastikhalmen anstatt aus wertvollem Kristall bestehend spielt er gleichzeitig auf die Verwendung labortechnischen Geräts an, so wie er spielerisch ironisch ein Zitat zeitgenössischer Kunstgeschichte wiedergibt
Joschka Banzhaf hingegen zitiert diese in seinen Collagen ganz explizit, indem er mediale Fundstücke, Fotografien und Illustrationen von Masken und Mythen zu einer neuen Bildwirklichkeit zusammenfügt.
Erst beim zweiten Hinsehen ganz der Realität zugewandt erscheinen die Bleistiftzeichnungen von Klaus Stopper in einem Kabinett mit malerischem Blick über die Dächerlandschaft Hechingens. Als ausschnitthafte Impressionen variieren sie die Örtlichkeit des im Erdgeschoss des Kunsthauses untergebrachten Second-Hand-Laden und erklären so scheinbare Nebensachen auf diese Weise für bildwürdig.
. Im grossen Eckraum dieses Durchganges angekommen sind Judith Kaiser und Friederike Stanger ebenfalls dem leicht Flüchtigen und Vergänglichen auf der Spur. Die Arbeiten der beiden Künstlerinnen befassen sich mit einer sich selbsttätig verändernden Farbskulptur, die sich (aus aufgetürmten und dann bewässerten Brausetabletten) prozesshaft in Glaskästen zu autonomen Malfeldern auflösen; die durchscheinenden Wandmalereien und die unter der Decke schwebenden heliumgefüllten Folienkissen verunsichern den Betrachter hier ebenso wie die lichtwechselnde Raumarbeit der Beiden am anderen Ende der Präsentation des Kunsthauses.
: Margit Busch dokumentiert erstmals glaubhaft – quasi im Grenzbereich von Kunst und Wissenschaft – ein einschlägiges Marienwunder. Durch den Schleier von Vorhang und Gardinen ist nämlich eine Tränendrainage zu sehen, wie sie aus den Augenwinkeln einer Madonnenreproduktion über eine gläserne Tropfvorrichtung in das jungfräulich verwaiste Kinderbettchen des Krankenzimmers führt.
Der Weg zu ebenjener führt zurück auf den langen Ausstellungsflur, nur dass es nun abzuzweigen gilt, um die Raumintervention von Sabine Wilhelm-Stötzer zu sehen. Der architektoral stereometrischen Vergitterung in strenge Vertikalen und Horizontalen ist das Linienfliegen filigranen Astwerks entgegengesetzt, das sich aus einem unerschöpflichen Vorrat der Natur zu speisen scheint.
Exakte Seharbeit fordert im anschliessenden Behandlungsraum auch Manuel Krumrain ein, indem er mit seinem interaktiven Übungsgerät für Gedankenaustausch für augenscheinlich intime Blickkommunikationen sorgt.
. So gelangt der Besucher zuletzt – oder zuerst, je nach individueller Gangart – in einen Raum, den schrundig aufgerissene Fachwerkbalken, Öfen und Regale als ehemaligen Wohnraum ausweisen. Den organisch-naturhaften Eindruck der Holzträgerkonstruktion kontrastiert Allhaidis Hartmann mit ihren geometrisierenden Stahltafeln, die teils lackglänzend farbig gefasst, teils über ihre jeweilige Oberflächenbearbeitung verschieden aufgerauht erscheinen. Eine nur leicht angelehnte (blinde) Tür im Raum offenbart zusätzlich eine aus Buntstift auf Papier gezeichnete subversive Käferkrabbelei …..
Judith Kaiser, Friederike Stanger
Dialog, 2012
roter Strahler (60 Watt), Halogenscheinwerfer (500 Watt), Bewegungsmelder
Lichtquellen stehen in direktem Dialog zueinander. Von der Decke hängt ein roter Strahler, er beleuchtet Wand, Boden und den Scheinwerfer unter sich in warmem Rot und wirft weißes Streulicht halbkreisförmig auf die obere Wandhälfte. Nähert sich ein Betrachter der Installation, löst er den Bewegungsmelder aus und das grelle weiße Licht des Halogenscheinwerfers leuchtet auf, überblendet das schwächere rote Licht und setzt den hängenden Strahler selbst als Objekt in Szene. Nach einigen Sekunden ohne Bewegung entsteht wieder das ursprüngliche Bild.
Kontakt: ursula-buchegger@gmx.de